Weiterbildung Lehrpersonen 2021
Hotel Ländli - 17./18. September 2021
Das Weiterbildungswochenende im Ländli hat seinen Platz im Veranstaltungskalender der ICB gefunden. 20 Lehrerinnen und Lehrer aus sieben ICB-Schulen sind am Freitagmorgen für den Einführungstag für neue Lehrpersonen angereist. Zu den Zielen des Tages gehörte unter anderem die Vermittlung der Geschichte der Christlichen Bildung generell und in der Schweiz. David Schneider startet in seinen Ausführungen bei den Reformatoren Luther und Calvin, welche die Wichtigkeit einer Schulbildung auf biblischer Basis erkannten und forderten. Zur Zeit der Verfolgung der Christen (Hugenotten) in Frankreich bewarb Jean Calvin seine Schulen in Genf mit dem Satz: «Sendet mir Holz und ich werde euch Pfeile zurückschicken.» Nach einer Zeit von christlich geprägten Schulordnungen in der Schweiz im 18. Jahrhundert und der Gründung von christlichen Schulen und Lehrervereinen im 19. Jahrhundert hat die Säkularisierung der Volksschule bis ins 20. Jahrhundert immer mehr zugenommen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts entstanden neue Bewegungen von Christlichen Schulen. Einige der Schulen sind heute im Dachverband ICB zusammengefasst. Im Anschluss an diesen geschichtlichen Exkurs haben sich die Teilnehmenden mit den Leitbildern ihrer eigenen Schulen auseinandergesetzt und deren Kernpunkte den Kolleginnen und Kollegen vorgestellt.
Am Nachmittag gingen wir der Frage nach, was denn nun christlichen Unterricht ausmacht. Markus Zuberbühler präsentierte einen Überblick der bisher bekannten Forschung und Literatur. Da ist einerseits Luc Bussière, welcher den Unterschied zwischen griechischem und hebräischem Verständnis von Bildung aufzeigte und der Weisheit einen zentralen Platz in Bildung und Erziehung einräumt. Harro van Brummelen hinterliess uns einen kompakten Leitfaden für die Planung und Durchführung unseres Unterrichts. Mittlerweile eine bekannte Grösse auch im deutschsprachigen Raum ist der Engländer David Smith. Er propagiert unter anderem, dass die Nächstenliebe die wichtigste Motivation zum Erlernen einer Fremdsprache sein soll. Immer noch hoch aktuell ist die Arbeit von Daniel Kummer mit seiner christlichen Perspektive auf die Schulfächer der Volksschule und auch Stefan Dudli mit dem Stoffplan für Christliche Schulen als Ergänzung zum geltenden staatlichen Lehrplan. Für den praktischen Teil haben wir drei erfahrene Lehrpersonen eingeladen, die aus ihrem Alltag berichteten und darlegten, wie sie das christliche Welt- und Menschenbild in ihrer Arbeit umsetzen.
Ein wichtiges Ziel des Einführungstages ist auch das gegenseitige Kennenlernen und Knüpfen von Kontakten. Oft ist man als Lehrperson in einer Christlichen Schule die einzige auf seiner Stufe und hat kaum Möglichkeiten, sich mit anderen auszutauschen. Dank Veranstaltungen wie dem Weiterbildungswochenende und dem Bildungssymposium im November entstehen wichtige Verbindungen für den Alltag.
Der Weiterbildungstag startete auch in diesem Jahr schon am Vorabend mit einem gemütlichen Abend. Der Apéro bot Gelegenheit, um das Wiedersehen zu feiern und mit bisher unbekannten Kolleginnen und Kollegen anzustossen. Beim Nachtessen wurden die Gespräche weitergeführt. An allen Tischen berichtete man mit Freude über alles Gelungene und tauschte aber auch über grössere und kleinere Herausforderungen aus. Nach dem Essen trafen sich die einen noch auf der Terrasse und wärmten ihre Hände und Herzen hinter der lodernden Finnenkerze. Andere liessen ihre müden Muskeln und Seelen ins Wellnessbad des Hotels gleiten und legten sich danach tiefenentspannt und zufrieden ins Bett.
Der Samstagvormittag stand unter dem Titel «Wachsen und Reifen in Gottes Berufung». Zu Beginn zeigte uns Peter Höhn auf, dass unsere Berufung dreifältig ist. Wir sind berufen zu einer angstfreien Gottesbeziehung, zum erlösten Menschsein sowie zu einer spezifischen Bestimmung. In Bezug auf die Entdeckung unserer speziellen Berufung bzw. der Berufung der uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler gab uns der Referent folgende Fragestellungen mit:
- Was sind meine Stärken: Was kann ich gut, fällt mir leichter als anderen? Wo bringe ich über längere Zeit eine nahezu perfekte Leistung?
- Was tue ich aus eigener Initiative – oder habe es früher z. B. in der Freizeit aus eigenem Antrieb gemacht?
- Was hat ein Team, eine Organisation davon, wenn ich dabei bin?
Peter Höhn ruft und dazu auf, diese Bereiche zu verstärken und auszuweiten und den Heiligen Geist um Führung und Ausrüstung zu bitten. Eine Zusammenfassung dieser Weiterbildung ist quasi zeitgleich in der neusten Ausgabe von «Glaube+Pädagogik» erschienen.
Am Nachmittag stellte uns Monika Hasler von der SalZH den noch laufenden Überarbeitungsprozess ihrer Beurteilungsformen und Zeugnisse vor. Ausgehend von der Frage, was denn die Berufung der Kinder ausmacht, sollen künftig keine Noten mehr gesetzt, sondern mit verständlichen Beschreibungen und auf wertschätzende Art die Persönlichkeit der Schüler und ihre fachlichen und personalen Kompetenzen gewürdigt werden.
In der Tandemschule im Kanton Schaffhausen sind die Noten bereits abgeschafft. Maja Ernst und Esther Heiduschke berichten davon, wie sie in enger Zusammenarbeit mit den Eltern ihre Schülerinnen und Schüler in ihre Berufung führen. Ein Austausch in Gruppen zum Thema Berufung und Beurteilung macht den Abschluss dieses Weiterbildungstages.
Das nächste «Familientreffen» findet am 11./12. November im Rahmen des Bildungssymposiums in Riehen statt. Wir freuen uns schon heute auf das Wiedersehen!
Weiterbildung Lehrpersonen 2020
11./12. September 2020 im Hotel Ländli
Der ICB-Lehrer-Weiterbildungstag am 12. 9. 20 thematisierte «Weltanschauungen im Konflikt». Am Morgen ging es um «Meine Weltanschauung» – wo stehe ich, woher kommt das? Am Nachmittag ging es um die Frage «Wie lernen Schüler die christliche Weltanschauung?»
Den Morgen gestalteten Vater und Sohn Walter und Oliver Dürr. Walter ist Gründer und Mitleiter der Landeskirchlichen Gemeinschaft Jahu in Biel, Oliver wuchs darin auf und ist heute Theologe und Historiker, zurzeit Doktorassistent an der Theologischen Fakultät in Fribourg.
Oliver:
Wir leben in einer pluralen Welt – viele rivalisierende Weltanschauungen.
Mit zunehmendem technischem Fortschritt nimmt die Religiosität der Menschen ab – Säkularisierung geschieht. Während ein säkularer Staat sich nicht in die Religion einmischt, ist Säkularismus mehr als säkular: Er ist normativ, er verlangt, dass die Gesellschaft säkular sei. Glaube hat dann im öffentlichen Raum nichts mehr zu suchen. Dieser Anspruch wird heute zunehmend in Frage gestellt. Er wird als kolonialistisch erkannt – der Anspruch auf weltweite Gültigkeit ist arrogant.
Ebenso gilt: Pluralismus ist mehr als Pluralität. Pluralität ist gut für unser Zusammenleben. Pluralismus schliesst jedoch einen Glauben an Transzendenz aus. -ismus ist normativ: Alle Glaubenssysteme haben gleichwertig zu sein. Ein Glaube an eine für alle gültige Wahrheit wird aufgegeben.
Der sehr lesenswerte kanadische Philosoph Charles Taylor beschreibt in seinen Büchern, wie wir in der «Immanenz» leben, das heisst wir beschäftigen uns einfach mit dem, was uns gerade unmittelbar betrifft. «Mir geht es gut, auch ohne Gott». Im Zentrum steht das Individuum, nicht mehr die Gemeinschaft.
Im säkularisierten Umfeld ist der gläubige Mensch von allen Seiten dem Druck ausgesetzt, sich im Spannungsfeld Immanenz-Transzendenz bewähren zu müssen. Mit zunehmendem Wohlstand nimmt die Bedeutung der Kirche ab. Religion wird zu einem Bereich unter anderen zur Erklärung von Sinnfragen.
«Die 68er» erscheinen als historischer Bruch. Erstmals in der Volkszählung gibt es 1968 «Religionsfreie». Vorher galten Pflicht und Akzeptanz des Status quo als Grundwerte – nach den 68ern Selbstentfaltung, Individualität, Kreativität, Selbstbestimmung, Freiheit. Religion wird damit zur Option. Atheismus ist jetzt ein normaler Lebensentwurf.
Charles Taylor sieht als wichtigsten Faktor für Säkularisierung das kulturelle und soziale «Imaginary» – Plausibilitäten und Überzeugungen in der Alltagswelt – das Lebensgefühl, Bauchgefühl, die kulturelle und soziale Wirklichkeit. Das hat sich verschoben seit Christentum eine Selbstverständlichkeit war. Deshalb beantwortet heute die Kirche oft Fragen, die niemand mehr hat.
Wie kann denn ein kulturelles, soziales Gefühl geprägt werden, wenn es sich vom Mainstream unterscheiden soll? Antwort: Durch Gemeinden, Gemeinschaften, die das vorleben. In einer lebendigen Gemeinschaft entsteht starke Identität, die den Widerspruch zum umgebenden Mainstream erträgt und diesem antworten kann.
Wie aber kann eine vom Mainstream abweichende Gemeinschaft in dieser bestehen, ohne zu einer Insel zu werden? Miroslav Wolff prägte dazu den Begriff «Partikularer Unversalismus»: Als Subgruppe in einer pluralen Welt glauben wir an eine universale Wahrheit, aber wir verlangen von andern nicht, dass sie diese übernehmen, sondern sie steht für alle zur Verfügung, sie manifestiert sich in unserer Gemeinschaft.
Walter «Wale» Dürr:
stellt die Frage, wie dies funktionieren soll: Wir benötigen «Pluralitätskompetenz»:
Zu vermeiden sind die Extreme Fundamentalismus und Relativismus. Fundamentalismus ist überheblich, resistent gegen neue Erkenntnis. Relativismus lässt einen orientierungslos.
Pluralitätskompetenz bedeutet: Es gibt eine Wahrheit, und wir versuchen sie im Dialog zu finden.
Miroslav Wolff definiert als gemeinsame Gesprächsbasis für alle «Ein gutes Leben». Um miteinander reden zu können, müssen wir aber wissen, wer wir sind. Damit Schüler diesen Dialog lernen können, brauchen sie Vorbilder.
Jesus fragte nie jemand «Was glaubst du?» sondern nur «Was willst du?» Jamie K A Smith sagt «You are what you love»: Darum braucht die Kirche Liturgien, die das Herz erreichen. Die Konsumgesellschaft hat ihre Rituale auf der ganzen Palette von der Werbung bis zum Konsumtempel ausgeklügelt. Der Konsum von digitalen Medien führt zur Exkarnation: Es gibt keine Interaktion. Es entsteht ein Lebensgefühl, dass alles nur Schein sei. Der Umgang mit Medien ist liturgisch (immer wieder gleich) – das prägt das Lebensgefühl. Es braucht ein Gegengewicht von anderen liturgischen Zugängen.
Bis 12-jährig ist es sinnvoll, dass eine einheitliche Weltanschauung vermittelt wird. Erst wenn eine eigene Position sicher ist – wenn eine Verwurzelung im Glauben stattgefunden hat -, kann man im Dialog mit andern sein, denn dafür braucht es eine Standhaftigkeit. Und damit der Dialog gelingt, muss man sich der eigenen Beschränktheit bewusst sein: Die Bibel ist viel grösser als das, was ich von ihr verstanden habe. Jesus ist viel grösser als das, was von ihm in der Bibel steht. Gott ist viel grösser als Jesus allein («epistemiologische Demut»).
Wir wollen Persönlichkeiten entwickeln, die fundierte Entscheidungen treffen können – die Pluralitätskompetenz haben – das verlangt Standhaftigkeit und Gelassenheit.
Nadine Lüthi: «Weltanschauung goes Unterricht»
Weltanschauungen entdecken und hinterfragen ist spannend! Und wichtig, wenn Schüler in ihrem Glauben gefestigt werden sollen.
Wir leben als Christen in einem offenen System – wir können es beeinflussen.
Was für ein Gottesbild haben wir?
Wir sind Verwalter, nicht Besitzer. Wir sind nicht frei, sondern erlöst. Wir sind nicht liebenswert, sondern geliebt. Wir sind nicht begrenzt, sondern ewig.
Fremde Weltanschauungen begegnen uns auf Schritt und Tritt:
Warum ist Corona so wichtig?
Was sagt das SVP-Plakat «Zu viel ist zu viel» wirklich?
Welche Motive prägen deine Aussagen – zB Gutscheine für Grosi-Babysitter?
Fremdsprachunterricht zeigt Wertvorstellungen: Ich und meine Wünsche im Zentrum.
Klimawandel vermittelt Selbsterlösung.
TV-Talkrunde zum Thema Klimawandel: Greenpeace-Aktivistin rastet aus vor Angst.
Textilindustrie in Bangladesh: Elend der Kinderarbeiter – Voraussetzung für Billigkonsum.
Die eigene Weltanschauung überdenken:
Warum lerne ich?
Was würde ich wem schenken?
Was hätte ich getan, wenn …?
Wahres Wissen:
Sprüche 1,1-4: Wer weise sein will, höre zu.
Sprüche 1,7: Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit
Sprüche 3,5-8: Halte dich nicht selbst für klug.
Sprüche 28,5: Wer nach dem Herrn fragt, versteht alles.
Römer 12, 1-2: Passt euch nicht dieser Welt an!
Harro van Brummelen («Mit Gott im Klassenzimmer»): Wissen muss zu Taten führen.
Päckli und Papier – Lerninhalte und Didaktik:
Woran erkenne ich denn jetzt …?
Wie lernen die Schüler die Musik kennen?
Zieht mein Unterricht die Schüler zu Gott hin?
Zum Schluss: Nadine empfiehlt, sich auf einen langen Weg zu machen. Sie ist schon seit der Ausbildung am SLT intensiv dran und doch immer wieder am Anfang. Toll wäre, eine Austauschplattform zu haben, um gemeinsam auf dem Weg zu sein.
In drei Stufengruppen und einer «Apolopraxis»-Gruppe wurde anschliessend die Theorie in die Praxis umgesetzt, Erfahrungen ausgetauscht, die Konfrontation mit andern Weltanschauungen geübt.